Die Geschichte der
„Alten Ölmühle“ Wittenberge
1823 erwarb der Berliner Kaufmann Salomon Herz in Wittenberge ein Grundstück am Elbufer und begann mit dem Aufbau einer Ölmühle und einer Ölhandelsgesellschaft, der ersten in Deutschland. Zu dieser Zeit hatte Wittenberge 1000 Einwohner und die erste industrielle Anlage. Rohstoffe wie Lein, Raps und Rüben kamen aus der ländlich Umgebung, ebenso die benötigten Arbeitskräfte. Bald gab es Importverbindungen mit Rumänien, Russland und Indien. Der Transport von Rohstoffen und Fertigprodukten fand vorerst über den Wasserweg Elbe statt. Das erzeugte Rohöl wurde vor allem als Leucht- und Schmiermittel verwendet, ein geringer Teil wurde zu Speisezwecken veredelt.
Als Großaktionär der Berlin-Hamburger- und der Magdeburg-Halberstädter-Eisenbahngesellschaft setzte Herz sich für die Streckenführung von Hamburg nach Berlin über Wittenberge ein und trieb ebenso die Schaffung einer Bahnlinie von Magdeburg nach Wittenberge voran. Dazu gehörte auch der Bau der Elbbrücke. 1838/39 wurde zwischen der Stepenitz bei Klein Breese und dem Stadthafen der sog. Herzsche Kanal gebaut. Er diente als Mühlengraben für drei Wasserräder, die den Pferdebetrieb in der Ölfabrik ablösten. Nach einhundert Jahren, also 1937/38, wurde der Kanal zugeschüttet, da die Mühlräder längst von Turbinen verdrängt worden waren.
Ein Großfeuer zerstörte 1856 die gesamte Ölfabrik, noch im gleichen Jahr wurde mit dem Wiederaufbau begonnen. Die Folgezeit war durch ständige Erweiterungen des Fabrikgeländes und Modernisierung der Produktionsanlagen gekennzeichnet. 1873 wurden zwei Herzsche Stiftungen ins Leben gerufen. Die Gelder setzte man für den Bau von 16 mietfreien Wohnungen für alte und erwerbsunfähige Arbeiter der Ölmühle sowie für den Bau eines städtischen Waisenhauses ein. Die Mühlenstraße, heute Bad Wilsnacker Straße, wurde 1898 in Herzstraße umbenannt.
Die Jahre der Weltwirtschaftskrise machten es unmöglich, die Fabrik rentabel arbeiten zu lassen, so dass 1929 die Aktiengesellschaft „S. Herz Ölfabriken Wittenberge“ gegründet wurde. 1942 kam es zu einer erneuten Krise, die durch Schwierigkeiten bei der Rohstoffbeschaffung ausgelöst wurde. Die „Märkische Ölwerke AG“ entstand, sie stellte im April 1945 ihre Produktion ein.
Unter den schwierigen Bedingungen in der Nachkriegszeit begann die Ölmühle 1949 unter dem Namen VEB Märkische Ölwerke Wittenberge mit ihrer Produktion. Zu seinen besten Zeiten, z. B. 1968, zählte das Werk 690 Beschäftigte. Öle für technische Zwecke, aber auch Speiseöle und Kunstharzlacke gehörten zur Produktionspalette. Nach der politischen Wende zwischen 1990/91 firmierte das Unternehmen unter dem Namen Märkische Ölwerke AG, bis 1991 die Produktion für immer eingestellt wurde. Im Januar desselben Jahres gab es noch 319 Beschäftigte, davon war ein Drittel in Kurzarbeit. Der größte Teil der Produktions- und Werkstätten wurde abgerissen. Die verbliebenen Gebäude erhielten im Juni 1992 wegen ihrer besonderen Architektur den Denkmalstatus.